Irreführende Werbung seitens der gesetzlichen Krankenkasse

10/16/2013 10:33

Auch die gesetzliche Krankenkasse muss sich dem Vorwurf der unlauteren Geschäftspraxis stellen. Dies urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg auf Anfrage des Bundesgerichtshofes, und legte den Begriff „Gewerbetreibender“ auch auf Krankenkassen aus.

Eine deutsche gesetzliche Krankenkasse hatt auf ihrer Webseite die Versicherten davor gewarnt, zu einer anderen Krankenlasse zu wechseln. Die neue Kasse könnte einen Zusatzbeitrag erheben, falls sie mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskomme. Es wurde jedoch verschwiegen, dass im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags nach deutschem Recht ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht gilt. Nachdem die Wettbewerbszentrale die Krankenkasse wegen irreführenden Informationen abmahnte, wurden die fehlerhaften Informationen eingestellt. Zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Übernahme gerichtlicher Kosten war die Krankenkasse jedoch nicht bereit.

In dem deutschen Verfahren ging es um die Frage, ob die Krankenkasse hier als „Unternehmen“ handelte, und somit der Verstoss nach der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken geahndet werden konnte. Übt eine solche Einrichtung eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, oder verfolgt sie einen rein sozialen Zweck?

Die europäische Richtlinie gebraucht die Begriffe „Unternehmen“ und „Gewerbetreibender“ in ihrem Wortlaut, um die Verantwortlichen für unlautere Geschäftspraktiken zu benennen. Diese Begriffe stimmen nach Ansicht des EuGH überein, wobei der Begriff „Gewerbetreibender“ am häufigsten verwendet wird. Der EU-Gesetzgeber habe diese Begriff besonders weit konzipiert. Es handele sich hier um jede natürliche oder jurisitsche Person, die eine entgeltliche Tätigkeit ausübt. Davon seien weder Einrichtungen, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllen, noch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ausgenommen.

Ziel der Richtlinie sei eine vollständige Harmonisierung * der Regelen über unlautere, die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigende Geschäftspratiken, wobei ein hohes gemeinsames Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden soll. Der Verbraucher befinde sich hier in einer unterlegenen Position, da er als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren als sein Vertragspartner angesehen werden muss. Die Bestimmungen der Richtlinie seien im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers konzipiert.

In vorliegender Situation besteht aber die Gefahr, dass die Versicherten der fraglichen Krankenkasse durch die irreführenden Angaben getäuscht und damit davon abgehalten werden, eine informierte Wahl zu treffen. Sie würden zu einer Entscheidung veranlasst, die sie ohne solche Angaben nicht getroffen hätten. Der öffentliche oder private Charakter der fraglichen Einrichtung sowie die spezielle von ihr wahrgenommen Aufgabe sei hier unerheblich.

Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit einer im Allgemeininteresse leigenden Aufgabe wie der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, fällt - laut EuGH - somit in den Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Ein auch für die luxemburgische Gesundheitskasse interessantes Urteil.

Quelle: EuGH, 3. Oktober 2013, BKK Mobil Oil Körperschaft des öffentlichen Rechts gegen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., C-59/12